Sonntag, 12. Februar 2012

Alter Insu: Teil 23 "Zeit für Konsequenzen"

Vor dem Hintergrund rechtsradikal motivierter Morde in Mölln und Solingen erschien in Ausgabe Nr. 45 (Juni 1993) dieser Artikel:


Die Wogen haben sich gerade etwas gelegt, da zieht bereits der nächste Sturm auf, oder ist es der gleiche? Es ist der Gleiche! Wieder wird die in Zufriedenheit schlummernde Gesellschaft von gemeinen und hinterhältigen Morden aufgeschreckt. Wahrscheinlich gleiches Motiv, gleicher Tathergang; auch die gleiche Reaktion? Nach den Morden in Mölln rollte eine Welle der Empörung und der Fassungslosigkeit über ganz Deutschland. Spontan fanden zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen in der gesamten Bundesrepublik statt, Lichterketten von beeindruckender Länge wurden gebildet. Was übrig blieb war eine durch die zahlreichen Demonstranten beruhigte Masse und einige wenige Arbeitskreise, die sich ständig darum bemühen, Vorurteile abzubauen, bei sich selbst und bei ihrem Mitmenschen. Diese Beruhigung trügte, wie sich nun auf grausame Weise herausstellte.
In Anbetracht dieser Tatsache dürfte es wohl niemand mehr als ausreichend empfinden, die gleichen Konsequenzen aus den Morden von Solingen wie aus denen in Mölln zu ziehen. Es ist natürlich wichtig, zu zeigen, dass der größte Teil der Bevölkerung die Diskriminierung bestimmter Mitmenschen nicht zu tolerieren bereit ist und diese Morde missachtet. Dies wird durch die Demonstrationen eindrucksvoll ausgedrückt. Doch kann dies natürlich in keinster Weise genügen. Die Gesellschaft und jede(r) Einzelne müssen die notwendigen Konsequenzen aus diesen Vorfällen für sich ziehen. Wir können nicht so weiterleben wie bisher, wenn extremistisch motivierte Anschläge verstärkt auftreten und somit zwangsläufig zur Alltäglichkeit werden. Dies muss verhindert werden!
Nun stellt sich natürlich die Fragen wie dies denn angestellt werden kann. Die Eindämmung der Gewalt kann nur aus der Gesellschaft selber kommen. Da die Gesellschaft dazu zurzeit nicht in der Lage zu sein scheint, muss sich also zunächst die Gesellschaft dahin entwickeln, dass sie stark genug ist, um alle in diese Gemeinschaft zu integrieren, so dass das Bedürfnis die friedliche Gesellschaftsordnung zu stören minimiert wird. Um aber die Veränderungen  in der Gesellschaft herbeiführen zu können, müssen die einzelnen Mitglieder dieser Gesellschaft selbst diese Entwicklungen durchschritten haben. Also müssen wir zunächst für uns selber die Konsequenzen aus den schrecklichen Morden ziehen und unser Verhalten den Mitmenschen und im Besonderen den ausländischen Mitmenschen gegenüber überdenken und ändern. Wie dies nun im Einzelnen auszusehen hat, muss jede(r) für sich selbst entscheiden. So ertappt man sich doch noch manchmal, wie man einem Vorurteil Glauben schenkt, obwohl man noch nie eine derartige Erfahrung gemacht hat. Dies beeinflusst einen dann sofort im Umgang mit den betreffenden Mitmenschen, presst den Betroffenen in ein sehr schwer zu durchbrechendes Schema. Hat man sich von den Vorurteilen so weit wie möglich freigemacht, folge das Weitere ganz automatisch. Sind die unberechtigten Vorurteile abgebaut, so gibt es auch keinen Grund mehr, die betreffenden Mitmenschen in sein persönliches Tun und Handeln nicht zu integrieren. Dies brächte die Gesellschaft schon ein ordentliches Stück weiter in der Entwicklung, die für das friedliche Zusammenleben unbedingt von Nöten ist.


von Hassan du Maire


    

Samstag, 4. Februar 2012

Alter Insu: Teil 22 "Traueranzeigen rund um die RAF"



Wer mit der Thematik der RAF (Rote Armee Fraktion), bzw. ihren Inhalten nicht im groben vertraut ist, dem empfehle ich den passenden Wikipedia-Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/RAF

Die in den 60ern herangewachsene kritischere Generation machte ihrem Unmut in Protesten aller Art Luft. Leider gab es auch teilweise gewaltsame Ausbrüche (Stichwort: RAF).
Auf dem Höhepunkt des deutschen Herbstes wurde 1977 Hans Martin Schleyer (Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Martin_Schleyer) entführt. So sollten inhaftierte RAF-Aktivisten freigepresst werden. Da die Regierung nicht auf die Forderungen einging, brachten sich 3 hochrangige RAF-Terroristen in der Todesnacht von Stammheim um (Baader, Ensslin, Raspe). Sie sahen keinen anderen Ausweg der Gefangenschaft zu entkommen. Dies markierte das Ende des deutschen Herbstes. Schleyer wurde daraufhin von seinen Entführern umgebracht.

Einige Schülerzeitungen nahmen sich des heiklen Themas an: Eine Zeitung aus Husum brachten eine Todesanzeige zur Todesnacht von Stammheim. Diese wurde ebenfalls im Insulaner am 18.10.77 abgedruckt.



Viel gefährlicher war es jedoch über den Tod Schleyers zu schreiben. Und noch gefährlicher dabei kritisch auf dessen NS-Vergangenheit einzugehen und gleichzeitig indirekt zu kritisieren, dass auf andere Menschen die ebenfalls bei dem Vorfall starben kaum eingegangen wurde. Die folgende Anzeige erschien in mehreren Schülerzeitung, obwohl sie vielerorts bereits verboten war. Auch im Insulaner wurde die Endscheidung zur Veröffentlichung nicht einstimmig getroffen.



Ebenfalls im Insulaner erschienen war ein Bericht aus Kiel wo die Anzeige und gleich damit eine ganze Ausgabe (!) von der Veröffentlichung ausgeschlossen wurde und die bereits gedruckten Hefte vernichtet wurden:

Repression – selbst an fortschrittlicher Gesamtschule

Bis auf wenige Exemplare, die frühzeitig in Sicherheit gebracht worden waren, ist die November-Ausgabe 77 der Schülerzeitung der integrierten Gesamtschule Kiel Fr’ort auf Anordnung der Schulleitung eingestampft und die Druckvorlage vernichtet worden.
Bei einer Vernehmung wurde Redaktion klar gemacht, dass das Thema „Schleyer“ tabu sei – Denn die Schulleitung befürchtet bei Veröffentlichung des nebenstehenden Artikels, reaktionäre Maßnahmen gegen die Gesamtschule von Seiten der Arbeitgeber und des Kumis:
Die Arbeit der Redaktion wird ab sofort streng zensiert.

                              
                               Gez. Kieler Schülergruppe

            von Nils Krütgen