Freitag, 6. Januar 2012

Alter Insu: Teil 17 "Die Jahre 1932 und 1933"



Zum 150. Jährigen Bestehen unserer Schule (1995) gab es (natürlich) einen Extra-Ausgabe des Insulaners. In dieser wurde ein, leider undatierter, Artikel aus dem Archiv abgedruckt der sich mit der Anfangszeit des Insulaners (Ratzeburgensis Reatzeburgnsem Salutat) beschäftigt. Aufgrund seines Inhaltes ist der Artikel den hier heute hier lesen könnt, so um die 50er Jahre anzusiedeln. Es Auszüge von Artikel aus der Zeit Hitlers gezeigt, man beachte bitte bei deren Inhalt den historischen Kontext.

Unsere Schülerzeitung in den Jahren 1932 und 1933

Am 17. September des Jahres 1932 erschien die erste Nummer der Schülerzeitung unserer Lauenburgischen Gelehrtenschule. Es war damals genau so Nachkriegszeit wie heute, allerdings gleichzeitig schon die Vorkriegszeit, und die damaligen Schüler, heute unsere Väter, konnten noch nicht ahnen, wie alles kommen würde. Wir, d einer neuen Epoche, wollen uns die Meinungen und Taten aus dieser seltsamen, höchst interessanten Zeit nach dem 1. Weltkrieg einmal genau betrachten. Dazu durchkramten wir die alten ausgaben unserer Schülerzeitung. Gleichzeitig wollen wir die Geschichte unserer Schule und die Weltgeschichte., die ja parallel laufen, zueinander in Beziehung setzen, kritisch betrachten, und daraus lernen Am interessantesten dürften diese Auszüge wohl für unsere Eltern (insbesondere die ehemaligen Schüler) sein, da sie ja vieles miterlebten.


Ein Auszug aus dem Geleitwort von Herrn Studiendirektor Jensen zu ersten Ausgabe des „Ratzeburgenser“ (die Zeitung hieß damals „Ratzeburgensis Ratzeburgensem Salutat“ – „Der Ratzeburger grüßt den Ratzeburger“):

"Unsere Schüler, kleinen und die großen, möchten eine eigene Zeitung für ihre Schule haben. Dieser Gedanke ist nicht künstlich in ihnen geweckt worden, sondern aus dem Schulleben heraus geboren. Soll die Schule diesem Wunsch willfahren?"

 Wir können uns freuen, dass damals (wenn auch nach heftigen Erörterungen) eine Schülerzeitung entstand. Die Zeitung bildet jetzt ein wichtiges Dokument zur Schulgeschichte und ein gutes Mittel, die selbständige Arbeit und das Denken der Schüler zu fördern. Es wäre eine Schande, sie nach dieser großen Tradition einzustellen oder sie eingehen zu lassen.


Wie es damals in unserer Schule aussah, geht aus einem Artikel der Nr. 4 vom Juni 1933 hervor:



K u r z e  N o t i z e n
 1. Die Zahl der Schüler unserer Lauenburgischen Gelehrtenschule beträgt in diesem Schuljahr 149 Knaben und 52 Mädchen, zusammen also 201. (es bestand damals nur der Teil des Altbaus, der frontal zur Hauptstraße liegt ).
2. Das Alumnat beherbergt augenblicklich 24 Schüler. (Jetzt 48)
3. Seit Anfang des neuen Schuljares besitzt die Schule eine Rundfunkanlage, die es uns ermöglichte, an dem großen Tage von Potsdam, de Feier des 1.Mai und der Schlageter-Feier unmittelbar teilzunehmen.
4. Am 29. März fand in der Aula eine Elternversammlung statt. Ein Teil der Elternschaft hatte den Wunsch ausgesprochen, dass neben dem humanistischen Gymnasium ein Realzug geschaffen werden möchte, der von U III bis U II (d. h. bis zur mittleren Reife) oder sogar von U III bis zum Abitur führen sollte. Infolge der bevorstehenden Kosten ist die Entscheidung über die Frage des realen Zuges vom Kreistage einstweilen vertagt worden.
Einen Artikel über die Auffassung der damaligen Jugend, bedingt durch die Zeitumstände fanden wir in der Nr. 3 des Jahrgangs 1933. Den Artikel schrieb ein Unterprimaner; wir geben ihn etwas gekürzt wieder:


Die Not der deutschen Jugend Bald ist es wieder so weit, dass 40 000 Abiturienten von der Schulzeit in Leben treten, von dem sie alles erwarten. In dieser Zeit drängen Fragen über den zukünftigen Lebensinhalt zur Entscheidung.
 Große Not und schwere Sorge liegt auf dem Zukunftsweg der deutschen Jugend. Die Zukunft wird hart sein und erfordert ganze Männer, die durch den Wirrwarr unserer Zeit nicht schwach, sondern stärker geworden sind. Erinnern wir uns an ein Wort Clemenceaus, des größten Deutschenhassers aller Zeiten: „ 20 Millionen Deutsche sind zu viel auf der Welt“, dann wissen wir, dass wir bei der Gestaltung unserer Zukunft einen schweren Stand haben werden. Uns, die Jugend, geht das am meisten an. Nun erkennen wir auch, dass der Versailler Vertrag und alle anderen bis zum Youngplan nur auf die Erfüllung dieses politischen Testaments hinzielen. Das heißt: diese zu vielen 20 millionen sollen aus der Weltgeschichte ausgelöscht werden. Das junge Geschlecht gehört zu denen, vor welchem einmal die Wahl zwischen Sklavendasein oder Kampf um Leben und Daseins steht. In Deutschland 134 Menschen auf einem Quadratkilometer, in Frankreich nur 74 und in Russland sogar nur 7. Wir sind also obendrein ein „Volk ohne Raum“.
 Auch die seelische Not droht uns zu zerfressen. Als Erben des einst so stolzen Reiches stehen wir heute vor den Trümmern (siehe die Zeit nach dem 1.Weltkrieg!), aus denen ein neues von uns gebaut werden muss. Überall ist die Not der Jugend. Die Bauernjugend steht vor dem Nichts. Das Handwerk hat seinen sprichwörtlichen goldenen Boden verloren. Die Exportpolitik und die Industriealisierung hat unsere Zukunft, die „auf dem Wasser“ war, „in das Wasser“ verlegt. Deutschland, das Volk der Dichter und Denker, besitzt heute ein unübersehbares geistiges Proletariat. Wir haben es nicht vergessen, dass uns ein Professor Gumbel zu sagen wagte, unsere Brüder und Väter, die zwei Millionen Toten des Weltkrieges, seien „auf dem Felde der Unehre“ geblieben! Welche Gesinnung hören wir da aus dem Munde eines artfremden Volkserziehers! So sehen wir überall den Verfall unseres Vaterlandes.
 Wir müssen uns gegen den Strudel des tödlichen Geschehens aufbäumen und revolutionär sein. Denn unsere uns von der Geschichte gestellte Aufgabe ist eine V e r p f l i c h t u n g demgegenüber, was einst war, und eine V e r a n w o r t u n g demgegenüber, was noch kommen wird.
 Entschlossen gehen wir unseren weg, um den deutschen Menschen wieder zurückzuführen zur Ehrfurcht vor Gott, zur Liebe zu Heimatscholle und zur Liebe zu seinem eigenem Blute. Dazu wollen wir Jungen mithelfen und tapfer ringen. Dann dürfen wir hoffen, dass unser von Wogen bedrängtes Staatsschiff durch die tosende Brandung mit kräftiger Hand am Steuer in einem sicheren Hafen gelangt. Erst dann wird es so sein, wie J. M: Wehner in den Gedenkworten anlässlich der Übergabe eines Gefallenenfriedhofes an die deutsche Jugend sprach: „Heilig ist ihre letzte Stunde, unverletzlich ihr Andenken. Schon beginnen sie zu leuchten, die zarten Schatten. Sie nahen und grüßen uns, die Nachleben, die Zwielichter, die Zweifler, die Verzweifelten. Nun sind sie lebendiger als wir und singen und sagen:“
                 „Pflanzt die Säulen des Reiches
                In die Verwesung der Welt!“
Dieser Artikel ist äußerst zwielichtig 8man denke an Tucholsky, der zu genau derselben Zeit das Gegenteil sagte und die Toten des 1. Weltkrieges in ein anderes, warnendes Licht stellte), gerade für uns, die wir nach dieser folgenschweren Zeit, nach dem 2. Weltkrieg, leben. Können wir daraus lernen? Müssen wir der Jugend jener Zeit recht geben? Hat dieses Nationalgefühl Berechtigung gehabt? Ist es die Ursache der folgenden Katastrophe? Sind wir heute, nach dem 2. Weltkrieg, das übertriebene Gegenteil der Jugend von damals?

Ich selber kann diese Frage schwerlich beantworten und will es auch nicht. Jedoch bitte ich jeden etwas älteren Schüler, uns, dem „Insulaner“ seine Meinung hierüber mitzuteilen. Möge dieser Artikel zu einer heftigen Diskussion anregen.

               von Gerhard Sellin


Auch heute könnt Ihr uns eure Meinung über diese beiden, aus für uns schon ziemlich entfernten Zeiten stammenden, Artikel an redaktion.insu@gmail.com schicken.

Die Bebilderung dieses Artikels ist nicht original.

Bebilderung aus dem Herbst 1965 zum vorhergehenden Umzug aus der  alten Schule auf der Insel (heutiges Rathaus, damals noch mit einigen Anbauten) zur damals neuen Schule am Fuchswald.


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