Freitag, 4. November 2011

Alter Insu: Teil 5 "Der Protestmarsch"




Am Mittwoch, den 04.05.1994, einen Tag nach dem Besuch des Ratzeburger Burgtheaters durch die Lauenburgische Gelehrtenschule, stand der eben genannten Schule auch noch ein Streik der Schüler ins Haus. Nach drei Stunden „alternativen Unterrichts“, der, bis auf die Stunde in der Aula einen nicht gerade durchschlagenden Effekt hatte, machte sich dann die 2.000 Beine zählende Kolonne der streikenden Schüler auf, um ihre Wut über die missratene Schulpolitik der in Kiel regierenden SPD auch in der Öffentlichkeit auszudrücken.

Die erboste schar besetzte die rechte Straßenseite und setzte sich in Bewegung in Richtung Marktplatz. Die Schüler, für die dieser Marsch inzwischen zur Routine degradiert ist, da es schließlich in unserer bewegten Zeit nicht der erste Marsch zum Markt war, gingen munter plaudernd ihres Weges. Ein Umstand, für den die Polizei und auch die Ordner sehr dankbar waren. Ein weiteres Indiz für den Elan und die Motivation der Streikenden bzw. Demonstrierenden war, dass man die Zahl der mitgeführten Transparente an fünf Fingern abzählen konnte. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Zug, als ein begeisterter, aus seinem Auto winkender Herr Christelson nebst Frau die hehren Absichten der Schüler zu stärken suchte. Danach flachte die Emotion etwas ab, und man machte sich daran, die wenigen mutigen – weil glücklicherweise (?) verbeamteten – Lehrer ausfindig zu machen, die teilweise geschickt im Pulk der Streikenden den immer offenen Augen des Verfassungsschutzes zu entkommen glaubten, oder die, die dezent in ein paar Metern Entfernung den Tross begleiteten. Nach Bewältigung der Herrenstraße, wo die Schüler von Passanten aufgefordert wurden, mehr Lautstärke von sich zu geben, erreichte man glücklich und wohlbehalten den Ratzeburger Marktplatz. Als bald sich alle um das Kreishaus versammelt hatten, auf dessen Treppenstufen Ex-Schülersprecher Stefan Bornost stand, begann dieser seine Rede, die wohl im ganzen recht gut über die Bühne gebracht wurde. Er unterstrich noch einmal den Grund des Protestmarsches, forderte das Ende des Einstellungsstopps für junge Lehrer, mehr kleinere Klassen, den Erhalt des Kurssystems für den 11. Jahrgang und eine sinnvolle Verwendung des vorhandenen Geldes.
Da nach der Rede von Stefan Bornost keiner mehr auf der Rednerliste stand, machte sich der Zug auf den Rückweg. Für gute Laune sorgten ein paar Ordner, die mit Hilfe moderner Technik laute sirenenartige Geräusche von sich geben konnten und ebenso laut einige Autofahrer dazu aufforderten, die Seitenfenster zu schließen und sich in Aktion befindliche Blinker auszuschalten. Die bis dahin friedlich verlaufene Demonstration gelangte an einen kritischen Punkt als einige Demonstranten „unerlaubterweise“ die rechte Fahrbahnseite verließen, um sich ein verdientes Eis bei Pelz zu kaufen – es war schließlich auch ziemlich warm an diesem Tag. Dieser Ausbruch an Spontanität und dieser Mangel an „Solidarität“ stieß nicht unbedingt auf ungeteilte Zustimmung der Veranstalter (was sicherlich verständlich ist, aber da die Eiskaufenden sogar – spontan – als „Schweine“ beschimpft wurden, ist die Bemerkung erlaubt, dass selbst der DGB seinen streikenden Mitgliedern Streikgeld und außerdem noch Unterhaltung durch Musik, Getränke, etc. zubilligt). Die Veranstalter ließen sich jedenfalls die offen von Herrn Pelz bekundete Unterstützung entgehen: „Was ihr hier tut, ist unnütz; was wir brauchen, ist eine neue Regierung“.
So ging dann auch langsam diese Veranstaltung zu Ende. Alles in allem ist den Veranstaltern, d.h. der SV, ein großes Lob auszusprechen, dass sie sich die Mühen gemacht haben, solch einen Tag zu organisieren. Umsonst war diese Veranstaltung gewiss nicht.

von Michael Brand

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