Am Mittwoch, den 04.05.1994, einen Tag nach dem Besuch
des Ratzeburger Burgtheaters durch die Lauenburgische Gelehrtenschule, stand
der eben genannten Schule auch noch ein Streik der Schüler ins Haus. Nach drei
Stunden „alternativen Unterrichts“, der, bis auf die Stunde in der Aula einen
nicht gerade durchschlagenden Effekt hatte, machte sich dann die 2.000 Beine
zählende Kolonne der streikenden Schüler auf, um ihre Wut über die missratene
Schulpolitik der in Kiel regierenden SPD auch in der Öffentlichkeit
auszudrücken.
Die erboste schar besetzte die rechte Straßenseite und
setzte sich in Bewegung in Richtung Marktplatz. Die Schüler, für die dieser
Marsch inzwischen zur Routine degradiert ist, da es schließlich in unserer
bewegten Zeit nicht der erste Marsch zum Markt war, gingen munter plaudernd
ihres Weges. Ein Umstand, für den die Polizei und auch die Ordner sehr dankbar
waren. Ein weiteres Indiz für den Elan und die Motivation der Streikenden bzw.
Demonstrierenden war, dass man die Zahl der mitgeführten Transparente an fünf
Fingern abzählen konnte. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Zug, als ein
begeisterter, aus seinem Auto winkender Herr Christelson nebst Frau die hehren
Absichten der Schüler zu stärken suchte. Danach flachte die Emotion etwas ab,
und man machte sich daran, die wenigen mutigen – weil glücklicherweise (?)
verbeamteten – Lehrer ausfindig zu machen, die teilweise geschickt im Pulk der
Streikenden den immer offenen Augen des Verfassungsschutzes zu entkommen glaubten,
oder die, die dezent in ein paar Metern Entfernung den Tross begleiteten. Nach
Bewältigung der Herrenstraße, wo die Schüler von Passanten aufgefordert wurden,
mehr Lautstärke von sich zu geben, erreichte man glücklich und wohlbehalten den
Ratzeburger Marktplatz. Als bald sich alle um das Kreishaus versammelt hatten,
auf dessen Treppenstufen Ex-Schülersprecher Stefan Bornost stand, begann dieser
seine Rede, die wohl im ganzen recht gut über die Bühne gebracht wurde. Er
unterstrich noch einmal den Grund des Protestmarsches, forderte das Ende des
Einstellungsstopps für junge Lehrer, mehr kleinere Klassen, den Erhalt des
Kurssystems für den 11. Jahrgang und eine sinnvolle Verwendung des vorhandenen
Geldes.
Da nach der Rede von Stefan Bornost keiner mehr auf der
Rednerliste stand, machte sich der Zug auf den Rückweg. Für gute Laune sorgten
ein paar Ordner, die mit Hilfe moderner Technik laute sirenenartige Geräusche
von sich geben konnten und ebenso laut einige Autofahrer dazu aufforderten, die
Seitenfenster zu schließen und sich in Aktion befindliche Blinker auszuschalten.
Die bis dahin friedlich verlaufene Demonstration gelangte an einen kritischen
Punkt als einige Demonstranten „unerlaubterweise“ die rechte Fahrbahnseite
verließen, um sich ein verdientes Eis bei Pelz zu kaufen – es war schließlich
auch ziemlich warm an diesem Tag. Dieser Ausbruch an Spontanität und dieser
Mangel an „Solidarität“ stieß nicht unbedingt auf ungeteilte Zustimmung der
Veranstalter (was sicherlich verständlich ist, aber da die Eiskaufenden sogar –
spontan – als „Schweine“ beschimpft wurden, ist die Bemerkung erlaubt, dass
selbst der DGB seinen streikenden Mitgliedern Streikgeld und außerdem noch
Unterhaltung durch Musik, Getränke, etc. zubilligt). Die Veranstalter ließen
sich jedenfalls die offen von Herrn Pelz bekundete Unterstützung entgehen: „Was
ihr hier tut, ist unnütz; was wir brauchen, ist eine neue Regierung“.
So ging dann auch langsam diese Veranstaltung zu Ende.
Alles in allem ist den Veranstaltern, d.h. der SV, ein großes Lob
auszusprechen, dass sie sich die Mühen gemacht haben, solch einen Tag zu
organisieren. Umsonst war diese Veranstaltung gewiss nicht.
von Michael Brand
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